WALTER HORST PRIEBST

 

"Tagebücher meiner Erlebnisse"

In dem Künstler Walter Horst Priebst (1922-2005) begegnen wir einem Wanderer zwischen vielen Welten. In Dresden geboren, verließ er noch während seines Kunststudiums an der Dresdner Akademie die DDR als politischer Flüchtling, um an der Landeskunstschule Hamburg seine Kunststudien fortzusetzen. 1956 wanderte er mit seiner zweiten Frau, einer Künstlerin, nach USA aus, wo sein Sohn geboren wurde. Dort arbeitete das Künstlerpaar als Grafiker und Maler, um den Familienunterhalt zu sichern. In dieser Zeit beschäftigte sich Walter Priebst bei der Gestaltung seiner Schmuck-Arbeiten erstmals ausführlich mit der Cloisonnée-Technik.

1967 ließ Priebst sich in Mexiko nieder, wo er bis 1983 seine fruchtbarsten und produktivsten Schaffensjahre verlebte. In Taxco war er von 1973 bis 1975 Kunstdirektor einer Keramik- und Porzellanfabrik. Auf Expeditionen erkundete er die Sierra Madre del Sur und bereiste mit dem Floß den Rio Balsas und den Rio Mexcala.

In seiner neuen Heimat ließ er sich intensiv auf deren Kultur ein. Das Land hat ihn zu einer Bildsprache inspiriert, die als symbolisch-mythologischer Surrealismus bezeichnet wurde. Silberarbeiten (Emaille, Cloisonnée) wie auch Malerei und Zeichnungen nehmen Motive der traditionellen mexikanischen Kunst und Mythologie auf. Seine Gemälde vereinen Motive alter indianischer Kulturen mit dem Geist des modernen Mexiko. Dabei finden auf Bildern von Holz- oder Wasserträgern auch Alltagsnöte der Menschen, etwa in Dürreperioden, ihren Niederschlag.

Priebst nennt seine Werkzyklen „Tagebücher meiner Erlebnisse“. Ein Gemälde trägt den Titel „Der Paradiesvogel küsst die Mutter Erde“. Es zeigt eine Fruchtbarkeitsgöttin rittlings auf einer Schildkröte, dem Symbol für die Erde. Ein Bild der Stadt Taxco entsteht, über der in tänzerischer Pose der Gott des Tanzes und der Musik schwebt.

So sehr hat Priebst das Wesen Mexikos verinnerlicht, dass es ihm ein tief empfundenes Bedürfnis war, seiner Verbundenheit mit dem Werk „Cosrazón de México“ („Das Herz Mexikos“) Ausdruck zu verleihen. Das in Feinsilber gefertigte sieben Kilogramm schwere Herzobjekt findet sich, auf einer Metada – das ist ein alter Maismahlstein – ruhend, in einem Museum des Landes und wird nahezu wie ein Kultgegenstand verehrt. Walter Priebst beschreibt die Bedeutung des Stücks wie folgt: Das Herz von Mexiko steht als Zeichen für Reinkarnation, es stellt die Zeit dar, in der das Herz fast zerstört wurde und geopfert werden musste. Es steht für die Zeiten der Eroberung des amerikanischen Kontinents und der Revolution. Es ist ein blutiges, von der Geschichte geprüftes Herz, das für immer die Kraft gegen die völlige Zerstörung haben und für unendliche Zeiten geboren und wieder geboren wird. 1972 schreibt die mexikanische Zeitung „Scala“ über Priebsts Kunstschaffen: „Seine Arbeiten treffen seine Gastgeber ins Herz. Er liebt Mexiko und zeigt das mit Kunstwerken aus Silber und Emaille. Keiner, der seine Kunstwerke sieht, würde glauben, dass sie nicht von einem Mexikaner stammen.“

Auch als er 1983 nach Deutschland zurückkehrt, lässt ihn die Bilderwelt aus dem Land der Maya-Kultur nicht los. Immer wieder finden sich in seinen Werken Bauten, Landschaft, Flora und Fauna wie die magische Mythenwelt Mexikos: Papagei, Schlange, Leguan, Opossum bevölkern neben Agaven und Kakteen, Flüssen und Felsen farbenprächtige Bilder oder Tuschezeichnungen. Ornamental stilisiert, bemalt er Käseschachteln mit mexikanischen Mondgesichtern und anderen symbolischen Darstellungen aus jener geheimnisvollen Welt der Mythen und Legenden.

Als Walter Horst Priebst 2005 in München stirbt, hinterlässt er ein reichhaltiges Lebenswerk, das von seiner verwitweten dritten Frau, Traute Annies-Priebst, liebevoll und mit vorbildlicher Sorgfalt bewahrt und verwaltet wird. Kaum ein Platz an den Wänden ohne ein Bild ihres Mannes. Mappen kommen zum Vorschein von DIN-A4- bis 1 Meter hoch. Aus Schubladen holt sie Kassetten mit Schmuck und Emailleobjekten hervor, ferner Schablonen, nach denen Motive reproduzierbar sind. Im wandgroßen Regal Bücher und Bildbände, viele davon über Geschichte und Kultur des geliebten Mexiko. Aber auch in Europa sucht Priebst wieder die Sonne. Auf Kreta schafft sich das Ehepaar einen zweiten festen Wohnsitz, wo er viele Monate des Jahres verbringt und arbeitet, hier unter dem Einfluss der minoisch-kretischen Kultur, die er als mit der mexikanischen seelenverwandt erlebt.

Doch gibt es auch eine beeindruckende frühe Schaffensphase. Werke von 1948 bis 1956, der Zeit nach dem soliden Studium an der Hamburger Landeskunstschule, legen Zeugnis ab von einer starken malerischen Begabung und Kraft der Imagination. Von ausgewogener Komposition und harmonischer Farbgebung geprägt, erinnern sie mit abstrakten, kubistischen und konstruktivistischen Elementen an die frühen Kunstströmungen des 20. Jahrhunderts.

Geradezu wie nostalgische Reminiszenzen wirken Priebsts Werke, die vor dem Bruch mit der alten Welt entstanden. Er hat einmal gesagt, man müsse sich trennen vom Eingeübten, um zu sich selbst zu finden. Eine solche Ablösung hat sich in ihm durch die Begegnung mit anderen Kulturen aufs anschaulichste vollzogen. Eine geplante Retrospektive wird die Wandlungen und Entwicklungen in diesem unermüdlichen Künstlerleben im Spiegel seines vielgestaltigen nachgelassenen Oeuvres erlebbar machen.

Johanna Kerschner, im April 2008
(Herausgeberin und Chefredakteurin vom UND Kunstjournal, München)

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